Sanierung von PAK-haltigen Materialien: Neues Suva-Factsheet

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Simon Schneebeli; Dezember 11, 2023

Neben Asbest gibt es noch einige andere Schadstoffe in Baumaterialien. Dazu gehören die polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffe oder abgekürzt PAK . Neuere Studien und Messungen weisen darauf hin, dass diese Stoffklasse gefährlicher ist, als man lange gedacht hat, und dass bei Sanierungen strengere Massnahmen getroffen werden müssen. So hat die Suva selber eine Messreihe durchgeführt, deren Resultate letztes Jahr an der PolluConf vorgestellt wurden. Die Schlussfolgerung bezüglich PAK: Die MAK-Werte werden schnell und höher überschritten, als man bisher dachte. Die Schlussfolgerung: Man muss strengere Massnahmen zum Schutz der Arbeitnehmenden treffen. Aber welche?

 

Was sind PAK

Die polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffe sind eine Gruppe von chemischen Verbindungen. PAK werden bei Verbrennungs- und Pyrolysevorgängen gebildet. So wurde früher Teer aus der Destillation (Pyrolyse) von organischen Materialien, hergestellt. Zudem war es ein begehrtes Nebenprodukt aus der Kohlevergasung und -kondensation. Diese Teere sind meist sehr stark mit PAK belastet und wurden früher oft im Strassenbau verwendet, aber auch als Kleber, etwa von Parkett, sowie als Schwarzanstrich, Fugendichtungsmasse oder Holzschutzmittel eingesetzt.

PAK kommen auch im Erdöl vor. Allerdings in viel geringen Konzentrationen. Daher erhält auch Bitumen, der aus Erdöl hergestellte Ersatz von Teer in der Regel keine problematischen Konzentrationen an PAK.

Mehrere der zur Stoffgruppe der PAK gehörende Verbindungen sind nachweislich krebserregend. Besonders zu erwähnen ist das Benzo(a)pyren, abgekürzt B(a)P oder BaP, das die höchste Karzinogenität aller PAK-Verbindungen aufweist. Man findet dieses auch in Zigarettenrauch, wo sie als Hauptursache vom Lungenkrebs angesehen wird. Für die Arbeitsplatz-Belastung wird dieser Stoff als «Leitsubstanz» angesehen. Das heisst, dass dieser Stoff alleine aussagekräftiger für die Gesundheitsgefährdung ist als die Gesamtmenge der PAK.

Im Innenraumbereich sind hingegen das Naphthalin und die naphthalinähnlichen PAK von Bedeutung. Im Gegensatz zu B(a)P sind diese flüchtig und daher in der Raumluft anzutreffen. In Räumen mit teerhaltigem Parkettkleber sind diese für den typischen Geruch mitverantwortlich, der sich auch als Sekundärkontamination in Beton, Ziegeln, Tapeten etc festsetzen kann.

Für die Entsorgung gibt es neben dem Grenzwert für den gesamten PAK-Gehalt (respektive, um genau zu sein, die Summe der 16 EPA-PAK), auch einen spezifischen Grenzwert für das BaP: Um den Entsorgungswege. festzulegen, etwa von Beton mit Teer-Rückständen, muss man beide Grenzwerte überprüfen.

 

Was besagt das neue Factsheet

Bislang gab es in der Schweiz keine expliziten Vorgaben, wie PAK-haltige Materialien saniert werden sollten. Diese Lücke hat die Suva mit dem Factsheet 33106 gefüllt.

Die Vorgaben können im Wesentlichen wie folgt zusammengefasst werden: Mit einigen Abweichungen müssen PAK-Sanierungen die gleichen Massnahmen, wie bei einer Asbest-Sanierungen gemäss EKAS-Richtlinie 6503 Kap. 7 umgesetzt werden. Spezifisch: 

  • Arbeitsbereich:
    • Grossflächige Arbeiten (Ganze Räume): Zonenbildung, inkl. Unterdruck. Schleusen werden erwähnt, aber ohne explizite Details (z.B. Anzahl Kammern), aber es muss eine Waschgelegenheit geben. Die Abluft muss gefiltert werden, aber ohne Aktivkohlefilter.
    • Kleinflächige Arbeiten (z.B. Radiatornischen): Einfache Abtrennung des Arbeitsbereichs
    • Bei Abbruchobjekten ohne Fenster/Türen: Keine Zone nötig, wenn sich in benachbarten Räumen keine ungeschützten Personen aufhalten.
  • Persönliche Schutzausrüstung:
    • Atemschutz: Druckluftschlauchgeräte oder Gebläsefiltergeräte, mind. TH3P (Haube mit Gebläse/Druckluft)
    • Handschuhe aus Nitril- oder Butylkautschuk, Typ A (das sind robuste, luft- und wasserdichte Handschuhe)
    • Schutzanzüge sind an der Maske, Händen und Füssen abzukleben um Hautkontakt zu vermeiden.
  • Verfahren:
    • Staubarme Verfahren wählen, beim Schleifen / Fräsen mit Quellabsaugung, Sauger mit H-Filter
    • Hitzeerzeugende Verfahren (Heissluft-Föhn oder offene Flammen) sind nicht zugelassen.

 

Ab welcher PAK-Konzentration sind diese Massnahmen nötig?

Eine Frage beantwortet die Suva nicht: Ab wann gilt ein Baumaterial als «relevant belastet»? Bei Konzentrationen im Prozentbereich, also von 10'000 mg/kg oder mehr, muss man klar von einer Belastung ausgehen, die obige Massnahmen rechtfertigen.

Laborbefunde im Bereich von einigen Duzend oder einigen Hundert mg/kg PAK sind aber durchaus auch möglich. Da die Exponierung der Arbeiter von der Konzentration abhängt, ist es auch berechtigt, bei geringen Konzentrationen weniger strenge Vorgaben zu machen.

Die Suva sagt dazu nichts. Ein Blick über die Grenze zeigt: In Deutschland, wo es mit der TRGS-Richtlinie 551 seit längerem eine Richtlinie für PAK-Sanierungen gibt, gelten Materialien ab einem BaP-Gehalt von 50 mg/kg als problematisch. Unter diesem Wert sind keine spezifischen Massnahmen zu treffen.

In der Schweiz gibt es einzig im Kanton Genf explizite Vorgaben. Die Werte liegen in einer ähnlichen Grössenordnung, wie in Deutschland:

  • Unter 10 mg/kg BaP und unter 250 mg/kg Gesamt-PAK: Keine spezifischen Massnahmen
  • Zwischen 10 und 100 mg/kg BaP und zwischen 250 und 2'500 mg/kg Gesamt-PAK: Keine Unterdruckzone, wenn staubarme Verfahren gewählt werden.
  • Über 100 mg/kg BaP und über 2500 mg/kg Gesamt-PAK: Vollschutz, inkl. Filterung der Abluft mit einem Aktivkohlefilter ab 1'000 mg/kg Naphthalin.

Mangels expliziter Vorgaben der Suva dürfte man mit diesen Richtwerten grundsätzlich richtig liegen.

Wie sieht es mit dem Umgebungsschutz aus?

Ausser, dass staubarme Sanierungsverfahren gewählt werden müssen, sagt die Suva auch nichts zum Umgebungs- und Umweltschutz. Dies aus dem einfachen Grund, dass dafür nicht sie, sondern die kantonalen oder kommunalen Behörden zuständig sind.

In der Schweiz gibt es, ausser den oben erwähnten Vorgaben des Kantons Genf, keine Behörden, die dazu explizite Vorgaben machen. Obwohl gewisse Diskussionen dazu auch in der Deutschschweiz laufen, dürfte man auch hier zurzeit nicht falsch liegen, wenn man die Genfer Vorgaben als Leitlinien verwendet.

 

Und Schlussmessungen?

Auch hier gibt es keine schweizweite Richtlinie. Das deutsche Umweltbundesamt gibt für die Summe von Naphthalin und naphthalinähnliche Verbindungen einen Richtwert I (Vorsorgewert) von 2 µg/m3 und einen Richtwert II (Interventionswert) von 20 µg/m3 vor.

Gemäss der Genfer Richtlinie werden Räume dann als «sauber» angesehen, wenn folgende Grenzwerte in der Luft eingehalten werden:

  • Benzo(a)pyren: 1 ng/m3
  • Naphtalin: 10 µg/m3
  • Gesamt-PAK (hier nicht gemäss EPA, sondern mit TEF berechnet): 10 ng/m3

Mit diesen Werten orientiert sich der Kanton Genf an den Zielvorgaben der WHO.

Hier muss angefügt werden, dass gemäss Messungen der EMPA in der Schweiz alleine schon eine Hintergrundbelastung – insbesondere durch Holzfeuerungen – von bis zu 0.7 ng/m3 möglich ist.

Während die Vorgaben der Suva zum Arbeitnehmerschutz eher einfach erscheinen, kann es durchaus anspruchsvoll sein, das Ziel von 1 ng/m3 nach einer Sanierung zu erreichen.

 


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