Asbest im Kleber von Fliesen - Umfrage unter Laboratorien

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Simon Schneebeli; Juni 26, 2010

Dass Asbest gefährlich ist für die Gesundheit, ist nichts neues. Was sich aber kontinuierlich ändert, ist der gesetzliche Rahmen, sowie sowie die Kenntnisse bezüglich Materialien, die Asbest enthalten können. Eines dieser
Materialien ist der Kleber von Fliesen. Zur Zeit gibt es noch viele Asbest-Fachleute, die davon ausgehen, dass solche Kleber keine Asbestfasern enthalten. Der vorliegende Text fasst die Resultate einer Umfrage zusammen, die diesbezüglich vorgenommen wurden.

Anwendungen mit Asbest

Asbestfasern wurden lange als idealer Baustoff angesehen. Da er als natürliches Mineral in grossen Mengen vorhanden und einfach abbaubar war, wurde er in grossen Mengen zur Herstellung von verschiedenen Baumaterialien verwendet. Das gefährlichste davon ist Spritzasbest. Das am häufigsten vorkommende asbesthaltige Produkt ist Faserzement. Weitere wichtige Produktgruppen, die Asbest enthalten können, sind Rohrisolationen, Deckenplatten, Asbest-Pappen und diverse Bodenbeläge.

Während bei diesen Materialien ein breiter Konsens herrscht, dass sie Asbest enthalten können, gibt es andere Materialien, die selbst von Fachleuten im Rahmen von Gebäude-Untersuchungen oft nicht beachtet werden. Zu diesen Materialien gehören neben Verputzen und Unterlagsböden (auch Fliessestriche genannt) auch der Kleber von Fliesen, in der Schweiz allgemein als „Plättli“ bezeichnet.

Kleber von Fliesen und Kacheln

Durch das Beifügen von Asbest-Fasern konnten die Eigenschaften von verschiedenen Produkten verbessert werden. Dass man heute Asbest-Fasern im Kleber von Fliessen findet, ist wohl darauf zurückzuführen, dass die Fasern die Haftkraft dieser Klebern verbesserte.

Mit Kleber sind hier praktisch alle Formen von zement- oder mörtelartigen Kleber gemeint, Kleber also, wie er zum Anbringen von Fliesen in praktisch allen Badezimmern und Küchen verwendet wurde.

Die Umfrage unter Laboratorien

Der Anlass für die Umfrage, deren Resultate hier präsentiert werden, ist die Tatsache, dass unter Fachleuten zur Zeit noch Uneinigkeit herrscht, ob der Kleber von Fliesen nun Asbestfasern enthalten kann oder nicht.

Zum einen wurde eine Reihe von Firmen kontaktiert, die selber Gebäude-Checks oder Asbest-Expertisen durchführen. Andererseits wurden verschiedene Laboratorien in der Schweiz und im Ausland gefragt, wie gross der Anteil an asbesthaltigen Klebern in den von ihnen untersuchten Proben ist, und um herauszufinden, ob es möglicherweise regionale Unterschiede gibt.

Von den 9 Laboratorien (7 in der Schweiz, 2 in Deutschland) gaben 5 an, dass sie in etwa 10 bis 20% der Proben Asbestfasern vorfinden. Ein Labor gab an, dass nur in etwa 3% der Proben Asbest nachgewiesen wurden. Die andern Laboratorien hatten entweder nicht genügend Proben von Kleber untersucht, oder wollten keine Angaben machen.

Zur Frage, ob es regionale Unterschiede gibt, konnten keines der Laboratorien Aussagen machen. Sowohl Laboratorien aus der Westschweiz als auch aus der Deutschschweiz gaben an, regelmässig asbesthaltige Kleber vorzufinden.

Umfrage unter Asbest-Fachleuten

Die Umfrage unter Asbest-Fachleuten in der Deutschschweiz hatte zum Ziel, herauszufinden, ob diese Fachleute bei einer Asbest-Untersuchung den Kleber von Fliesen beproben oder nicht. Zur Umfrage wurde ein Online-Fragebogen zusammengestellt. Die auf Asbest-Untersuchungen spezialisierten Firmen wurden per e-mail angefragt, an der Umfrage teilzunehmen.

Von den 32 auf der SUVA-Liste eingetragenen deutschschweizer Beratungsbüros, die so kontaktiert wurden, haben nur 8 geantwortet. Die Umfrage wurde anschliessend mit einzelnen Telefongesprächen vervollständigt. Die Anzahl der Antworten bleibt mit 13 aber nicht wirklich repräsentativ.

Knapp die Hälfte der Beratungsbüros gab an, den Kleber von Fliesen nicht, oder nur auf Wunsch des Auftraggebers zu untersuchen.

Die Umfrage ergab auch, dass es praktisch unmöglich ist, Aussagen zu machen, ob gewisse Kleber systematisch Asbest enthalten und andere nicht. Grundsätzlich muss also davon ausgegangen werden, dass es visuell unmöglich ist, einen Kleber der Asbest enthält von einem ohne Asbest zu unterscheiden. Einzige Ausnahme scheinen Bodenplatten zu sein, die direkt auf einen nassen Unterlagsboden verlegt wurden. Da aber von Unterlagsböden selber bekannt ist, dass sie in seltenen Fällen Asbest enthalten können, muss auch diese Aussage in Frage gestellt werden.

Muss man sanieren?

Die nächste Frage, die sich stellt, und die im Rahmen der Telephon-Interviews auch angesprochen wurde, ist die der Sanierung.

Grundsätzlich sind sich alle Fachleute einig, dass asbesthaltiger Kleber von Fliesen bei einer normalen Nutzung wirklich keine Gefahr darstellt. Wenig Erfahrung besteht in Bezug auf Renovierungsarbeiten, bei denen Fliesen mit asbesthaltigem Kleber entfernt wurde. Vereinzelte Messungen weisen aber darauf hin, dass in diesem Fall der Grenzwert für Fasern in der Luft (MAK-Wert von 10'000 lungengängige Asbestfasern pro Kubikmeter) gelegentlich massiv überschritten wird. Daher Auf Grund dieser Erfahrung sollten Fliesen mit asbesthaltigem Kleber also von einer auf Asbestsanierungen spezialisierten Firma entfernt werden.

Anders sieht die Situation bezüglich Abbrucharbeiten aus, wobei hier bislang noch niemand Messungen durchgeführt hat. Die befragten Personen sind sich einig, dass asbesthaltige Kleber auf keinen Fall dem Recycling von Inertstoffen zugeführt werden dürfen. Während aber im Kanton Genf bei Abbrucharbeiten systematisch verlangt wird, dass asbesthaltige Kleber vorher von einer Spezialfirma für Sanierungsarbeiten entfernt werden müssen, gaben die meisten der befragten Fachleute an, dass sie davon ausgehen, dass das Faserfreisetzungspotential bei Abbrucharbeiten klein ist, und in diesem Fall keine Sanierung notwendig ist.

Schlussfolgerungen

Die Umfrage hat ergeben, dass der Kleber von Fliesen eindeutig ein Material ist, das Asbestfasern enthalten kann und daher im Rahmen von Asbest-Untersuchungen in Gebäuden auch beprobt werden müssen.

Auf Grund der wenigen Messungen, die bei Umbauarbeiten, etwa beim Entfernen von Fliessen gemacht wurden, muss ausserdem davon ausgegangen werden, dass der MAK-Wert nicht eingehalten werden kann, und daher solche Arbeiten nicht von einer normalen Renovierungsfirmen ausgeführt werden können.

Bezüglich Abbrucharbeiten kann keine klare Aussage gemacht werden, da Messung fehlen. Einzig auf Grund von solchen Messungen kann es möglich sein, eine grundsätzliche Entscheidung zu treffen, ob in einem solchen Fall eine Sanierung notwendig ist oder nicht. Nach Meinung der befragten Fachleute ist es aber unwahrscheinlich, dass man in diesem Fall den MAK-Wert überschreitet.

Konsequenzen: Stand der Technik

In der Schweiz verlangt die Bauarbeiten-Verordnung dass Bauarbeiten so geplant werden müssen, dass das Risiko von Berufsunfälle, Berufskrankheiten oder Gesundheitseinschränkungen möglichst klein ist... Das heisst auch, dass die Gefahren bezüglich Asbest zu untersuchen und die Arbeiten entsprechend zu planen sind. Die EKAS-Richtlinie 6503 (Art. 5.1) gibt an, dass im Rahmen von Um- oder Rückbauarbeiten ein Gebäude dann auf Asbest untersucht werden muss, wenn ein Verdacht besteht, dass Asbest auftreten könnte. Als verdächtige Materialien wurden bislang etwa Spritzisolationen, Rohrisolationen, Asbest-Gewebe, gewisse Bodenbeläge und Deckenplatten sowie Faserzement angesehen.

Auf Grund der Erkenntnisse dieser Umfrage müssen aber auch Kleber von Fliessen zu den verdächtigen Materialien gerechnet werden. Und da solche Kleber in praktisch allen Gebäuden vorhanden sind, hiesse das konsequenterweise auch, dass alle Gebäude, die vor 1991 gebaut wurden, vor Um- oder Rückbauarbeiten einer Gefahrenermittlung bezüglich Asbest unterzogen werden müssen.

Bislang ist es so, dass einzig der Kanton Genf systematische Vorschriften in dieser Richtung erlassen hat (im Kanton Waadt trifft ein ähnliches Gesetz demnächst in Kraft): Eine Baubewilligung für den Um- oder Rückbau von Gebäuden von vor 1992 wird erst dann erteilt, wenn eine Asbest-Expertise vorgenommen wurde.

Konsequenzen: Wirtschaftliches

Rechnet man ganz grob, dass es in der Schweiz 1'000'000 Gebäude gibt, die vor 1991 gebaut wurden, und dass eine Asbest-Untersuchung im Durchschnitt 3000 CHF kosten (was eine konservative Schätzung ist), dann heisst dies, dass alleine die Asbest-Untersuchungen Kosten von 3 Milliarde Schweizer Franken verursachen.

Geht man anschliessend davon aus, dass 15% der Gebäude asbesthaltige Kleber enthalten und saniert werden müssen und eine Sanierung durchschnittlich 20'000 CHF kostet (ebenfalls eine konservative Schätzung), so entstehen hier weitere Kosten von 3 Milliarden Schweizer Franken hinzu.

Mit diesen Investitionen kann ein besserer Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer im Baugewerbe erreicht werden. Es dürfte dadurch möglich sein, das Leben von einigen Duzend Kundenmaurern, Abbrucharbeiter und Fliesenleger zu retten. Die ethisch schwierige Frage, die sich hier stellt ist, wieviel es kosten darf, um ein Leben zu retten. Rechnet man mit 100 Menschen, die ohne Sanierung dieser Kleber an asbestbedingten Krankheiten sterben, so kommt man auf einen Preis von 60 Millionen Franken um ein einzelnes Leben zu retten!

Diese Frage muss letzten Endes aber wohl von der Politik beantwortet werden. Auf Grund der vorliegenden gesetzlichen Grundlagen kommt man um diese Kosten aber nicht herum.

19.5.2010, Update mit kleineren Änderungen: 26.6.2010, Simon Schneebeli, www.picadus.ch

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