Bauschadstoff-Gutachter: Die grösste Gefahr ist nicht Asbest!

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Simon Schneebeli; Juli 08, 2021

Die grösste Gefahr ist nicht Asbest!

Fünf Meter stürzte er ab. Was genau passiert ist, daran kann er sich nicht mehr erinnern. Neun Tage lag er danach im Koma. Danach noch weitere zwei Tage im Spital, gefolgt von der Reha. Auch heute noch, mehr als 3 Monaten ist er nur begrenzt arbeitsfähig.

Die Geschichte ist nicht erfunden. Sie passierte diesen Frühling! Es passierte bei einem Gebäudecheck. Der Diagnostiker sagt, dass er Glück hatte, dass ein Nachbar den Sturz mitbekommen hat. Da er alleine unterwegs war, hätte sonst wohl lange niemand gemerkt, dass er schwerverletzt am Boden lag.

Das Absturz-Risiko ist gross

Wenn wir Gebäude untersuchen, müssen wir unsere eigene Gesundheit vor Asbest und andern Bauschadstoffen schützen. Die obige Geschichte zeigt: Die Gefahr von Asbest ist zwar gross. Die Gefahr eines Sturzes dürfte aber um ein vielfaches grosser sein.

Ein Grund dafür mag sein, dass wir uns zwar sehr gut vor Asbest schützen, dabei aber andere Gefahren vernachlässigen. 

Andererseits sind mir oft in alten Gebäuden unterwegs, die in Sachen Absturzsicherung nicht immer dem aktuellsten Stand der Technik entsprechen, etwa, wenn wir Flachdächer inspizieren müssen, oderSteigschächte oder ähnliches. Oder das Gebäude ist an sich schon einsturzgefährdet!

Hinzu kommt aber auch, dass heute eine Bauschadstoff-Diagnose als unvollständig angesehen wird, wenn wir keine Proben vom Verputz genommen werden, und zwar auch vom Verputz Decke. In der Praxis steigen wir dann oft «einfach» auf einen Stuhl einen Tisch. Oder man zählt darauf, dass es im Gebäude schon irgendwo eine Leiter hat. Aber allzuoft ist diese nicht auffindbar, oder zu klein, oder sie ist so alt, dass man sie eigentlich gleich entsorgen sollte.

Wie benutze ich eine Leiter korrekt?

Wenn wir unser effektiv schützen wollen, kommen wir nicht darum herum, auf eine gute Absturzsicherung zu achten. Eine gute Leiter sollte zur Standardausrüstung jeder Diagnostikerin und jedes Diagnostikers gehörten.

Aber auch wenn man eine Leiter hat, darf man sie nicht irgendwie einsetzen. Die Suva hat ein ganzes Merkblatt dazu herausgegeben https://www.suva.ch/de-CH/material/Dokumentationen/tragbare-leitern-rich.... Die wichtigsten Punkte daraus:

  • Standhöhe maximal 3m (2m): Leitern darf man nur bis zu einer Standhöhe von 3m einsetzen. Ab nächstem Jahr, werden es sogar nur noch 2m sein (neue BauAV). Darüber hinaus braucht man ein Rollgerüst oder eine Hebebühne.
  • Nur für kurze Einsätze, etwa man einzelne Proben nehmen muss. Wenn man «viele» Proben an der Decke nehmen muss, ist auch hier ein Rollgerüst oder eine Hebebühne nötig.
  • Keine Anstellleiter: Anstellleitern (also die, die man schräg an eine Wand stellt) gelten eigentlich nur als Zugangsmittel. Für Bauschadstoff-Spezialisten heisst das: Wir brauchen eine Bockleiter.
  • Instruktion: Personen, die Leitern benutzen, müssen «instruiert» sein. Genau so, wie Arbeiter instruiert sein müssen, wenn sie Asbestzement entfernen.
  • Nur leichtes Material: Grössere oder schwerere Gegenstände dürfen nicht auf einer Leiter getragen werden.
  • Beide Hände an der Leiter: Wenn man die Leiter besteigt, muss man sich mit beiden Händen festhalten können. Die Diagnostikerin braucht also auch eine Werkzeugtasche am Gürtel oder etwas ähnliches.

Besser zu zweit!

Eine Herausforderung bei der Probenahme: Eigentlich muss man – in Anlehnung an das Suva-Factsheet 33067 – bei der Probenahme mit einer Quellabsaugung arbeiten. Die üblicherweise von Bauschadstoff-Fachpersonen verwendeten Sauger haben aber in vielen Fällen einen zu kurzen Schlauch, als dass er bis an die Decke reicht.

So oder so stellt sich aber die Frage: Wie nehme ich eine Probe, etwa vom Verputz an der Decke, wenn ich in der einen Hand das Stanzeisen, in der andern den Hammer, in der dritten den Beutel für die Probe, in der vierten den Staubsauger halte, und mich dann noch irgendwie an der Leiter festhalten muss?

Eine Patentlösung kennen wir (noch) nicht. Was aber zumindest teilweise helfen dürfte: Zu zweit arbeiten! Das hilft nicht nur beim Tragen der Leiter. Da kann man sich auch gegenseitig helfen und unterstützten (und im Notfall Hilfe leisten und alarmieren).

Gänd Sorg!

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