Stellen Sie sich vor: Sie erhalten eine Anfrage für eine Offerte für eine Liegenschaft, bestehend aus 5 Wohnblöcken mit je 15 Wohnungen, Baujahr 1962 bis 1963. Gemäss Bauherrschaft wurden seit dem Bau der Gebäude kaum Umbauten vorgenommen, sprich, die Wohnungen sind «baugleich».
Sie überlegen sich beispielsweise, dass sie üblicherweise für eine komplette Wohnung ca. 12 Proben brauchen, und in Anlehnung an die Vorgaben von Polludoc für Fliesenkleber und Verputz entscheiden Sie, dass 20 % der Wohnungen komplett zu untersuchen. Das heisst, für die ganze Liegenschaft sind das insgesamt 180 Proben, also 15 Wohnungen mit jeweils 12 Proben.
Möglicherweise rechnet ein Mitbewerber anders, kommt auf eine tiefere Probenanzahl und kann dadurch zu einem günstigeren Preis offerieren.
Es braucht eine Probenahmestrategie
Die Vereinigung Asbestberater Schweiz VABS hat bereits 2018 im Pflichtenheft für Bauschadstoff-Diagnosen geschrieben (Art. 3.7, al 2):
Der Diagnostiker muss […] für jedes Objekt eine Probenahmestrategie definieren und im Diagnosebericht dokumentieren, mit mindestens den Angaben zu den betrachteten Materialarten, der Anzahl entsprechender Vorkommen und der angewendeten Repräsentativität.
Die Diagnostikerin oder der Diagnostiker müssen sich also überlegen, wo die Proben genommen werden sollen und wie viele. Diese Überlegung muss ausserdem nachvollziehbar dokumentiert werden. Aufgrund der Gebäudesituation (Pläne, Baujahr, Umbauten, etc.) und der Fragestellung (Ziel der Expertise, beispielsweise Bauvorhaben oder Verkauf) muss die Beprobung geplant werden. Die Abschätzung der Probenanzahl und das Vorgehen sind auf Polludoc aufgeführt.
Die Dokumentation der Probenahmestrategie soll zum einen dazu dienen, dass ein systematisches Vorgehen zur Tagesordnung wird. Die Dokumentation ermöglicht das Hinterfragen der gewählten Strategie und die fortlaufende Optimierung des Vorgehens. Zum anderen kann nur mit einer nachvollziehbaren Dokumentation eine Qualitätskontrolle durchgeführt werden. Zu einem späteren Projektzeitpunkt, beispielsweise für die Verwendung der Analyseresulate bei der Sanierungsplanung, ist die Dokumentation der Probenahmestrategie wichtig um die Güte der vorhandenen Daten beurteilen zu können Nachbeprobungen zu planen.
Was bedeuted "Probenahmestrategie" konkret?
Es ist nicht ganz einfach zu verstehen, was gemäss Fachverband zu dokumentieren ist. Im Grundsatz geht es um folgendes (am Beispiel der Fliesenkleber):
- Betrachtete Materialarten: Wie viele verschiedene Typen von Fliesen (resp. Fliesenklebern) wurden untersucht?
- Anzahl der Vorkommen: Wie oft kommen die jeweiligen Fliesen vor?
- Repräsentativität: Wie sicher sind die Aussagen mit der Anzahl Proben? Oder: wie viele Proben muss man nehmen, um auf ein "vernünftig" zuverlässiges Resultat zu kommen? Bei Fliesenklebern werden hier auf PolluDoc die 15 bis 25% der Vorkommen angegeben.
Alleine für Fliesenkleber kommt man pro Wohnung in oft auf ca. 6 bis 8 Einzelproben. Bei 75 Wohnungen, und wenn man ca. 20 % der baugleichen Elemente beprobt, kommt man auf bis zu 180 Einzelproben (siehe Tabelle unten).
Um die Anzahl Analysen zu reduzieren, kann es sinnvoll sein, Mischproben zu machen. Die Vorgaben dazu finden sich auf Polludoc:
Mischproben der gleichen Anwendung über mehrere Probenahmestellen sind in gewissen Fällen sinnvoll. […]. Momentane Empfehlung von FAGES - VABS: Bei Mischproben dürfen maximal 3 bis 5 Einzelproben von der gleichen Anwendung (z.B. Kleber von optisch gleichen Fliesen der gleichen Anwendung in verschiedenen Räumen) zu einer Probe vereint werden.
Die Kleber der Fliesen von mehreren baugleichen Badezimmern und Toiletten dürfen also jeweils kombiniert werden. Wenn jeweils 4 Proben über mehrere Wohnungen zusammen analysiert werden, reduziert sich die Anzahl Analysen (nicht Proben) auf ein Viertel der oben erwähnten Zahl, also knapp 50 Mischproben.
Tabellarisch dargestellt:
Raumtyp-Bezeichnung
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Anzahl baugleiche Räume
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Material
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Anzahl Einzel-Proben
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Anzahl Misch-Proben
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Bad/WC
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150
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Fliesenkleber Wand
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30
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7.5
|
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Fliesenkleber Sockel
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30
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7.5
|
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Fliesenkleber Boden
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30
|
7.5
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Küche
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75
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Fliesenkleber Wand
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15
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3.75
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Fliesenkleber Sockel
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15
|
3.75
|
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|
Fliesenkleber Boden
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15
|
3.75
|
Eingangsbereich
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75
|
Fliesenkleber Sockel
|
15
|
3.75
|
|
|
Fliesenkleber Boden
|
15
|
3.75
|
|
|
Fliesenkleber Sockel
|
15
|
3.75
|
TOTAL
|
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180
|
45
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Vorgehen in 2 Schritten
Eine weitere Möglichkeit, die Anzahl Proben zu reduzieren, ist das Vorgehen in zwei Schritten: Ich beprobe in einem ersten Schritt vielleicht 4 Wohnungen. Wenn in allen Proben Asbest nachgewiesen wird, stehen die Chancen gut, dass das auch bei praktisch allen andern Wohnungen der Fall ist (was ich mit einzelnen Stichproben noch bestätigen kann).
Andersherum geht übrigens nicht: Wenn ich 4 Wohnungen untersucht habe, die alle asbestfrei waren, dann muss ich noch weitere Proben nehmen, damit die Wahrscheinlichkeit, dass wirklich alle Wohnungen asbestfrei sind, genug gross ist.
Und richtig kompliziert wird es, wenn man bereits nach 4 Wohnunungen sieht, dass die Resultate widersprüchlich sind. Dann lohnt es sich möglicherweise alle 75 Wohnungen einzeln zu beproben. Den Bauherrn wird das nicht freuen, aber wenn ich damit bereits eine einzelne Wohnung von der Sanierung ausschliessen kann, dürften sich die Kosten für die wirklich detaillierte Beprobung bereits amortisiert haben.
Weitere Komplikationen
Es gäbe noch sehr viel zu sagen, zu der Probenahmestrategie. Ein wichtiger Punkt: in einem Gebäude mit 75 Wohnungen nicht von Zeit zu Zeit neue Fliesen eingebaut wurden. Diese müssen dann unbedingt jeweils einzeln beprobt werden, und zwar auch dann, wenn es in mehreren Wohnungen die gleichen Fliesen hat.
Als Beispiel: oft wurde in Badezimmern nur bis auf eine Höhe von ca. 150 "geplättelt". Da man heute weniger badet, sondern mehr duscht, wurden dann oft noch Fliesen bis auf rund 2m Höhe angebracht.
Solche Arbeiten wurden aber in der Regel bei Mieterwechseln ausgeführt. Auch wenn dabei die gleichen Fliesen verwendet wurden, ist es durchaus möglich, dass dabei nicht immer der gleiche Fliesenkleber verwendet wurde. Entsprechend sollte in einem solchen Fall jedes Badezimmer als eine einzelne Einheit betrachtet und jeweils einzeln beprobt werden.