Sind PCB in Vorschaltgeräten, heute noch ein Thema?

Posted by

Roland Arnet; Februar 18, 2020

Bauschadstoff-Diagnostiker wissen es: Alte elektrische Bauteile, insbesondere bei Fluoreszenzbeleuchtung, können PCB enthalten. Diese Leuchtmittel funktionieren immer mit einem «Starter», dieser ist teilweise sichtbar unterhalb der Fluoreszenzlampe. Auf der nicht sichtbaren, der Decke zugewandten, Seite sind im Metallkörper zudem kapazitive und/oder induktive Vorschaltgeräte eingebaut. Das kapazitive Vorschaltgerät besteht aus einer Spule (induktiver Teil) und einem Kondensator (kapazitiver Teil). Die verwendeten Kondensatoren, Herstellung zwischen 1950 und 1983, enthalten zumeist PCB. Ab 1985 wurden diese bei Neugeräten zunehmend durch elektronische Bauteile ersetzt. 

Zentrale und dezentrale Kompensation

Grundsätzlich können Fluoreszenzlampen zentral oder dezentral kompensiert werden. Zentrale Kompensationen befinden sich in der Haupt- oder Nebenverteilung und sind zumeist an den Sicherungselementen zu erkennen. Zentrale Kompensationen können zudem mithilfe des Kondensatoren-Verzeichnis von 2011 klassiert werden. 

Bei der dezentralen Kompensation (vor Ort im beleuchteten Raum) wird zumeist eine von drei bis vier Fluoreszenzlampen mit einem kapazitiven Vorschaltgerät versehen. Die kapazitiven Vorschaltgeräte enthalten in der Regel einen ölhaltigen Kondensator. Die 1997 vom Kantonalen Laboratorium Aargau (heute Amt für Verbraucherschutz) durchgeführte Marktkontrolle ergab, dass damals nahezu alle kapazitiven Vorschaltgeräte der Baujahre 1953 bis 1983 mit einem ca. 200 g (einige sogar bis 300 g) schweren, PCB-haltigen Kondensator bestückt waren. Der Netto-PCB-Inhalt pro Kondensator schwankte je nach Hersteller und Innenleben zwischen 50 und 80 Gramm reinem PCB!

Wie viele PCB-haltige Vorschaltgeräte wurden verbaut?

Hochrechnungen aufgrund von Herstellerangaben (Schweizer Firmen) zur Verwendung PCB-haltiger Kondensatoren in Vorschaltgeräten ergaben geschätzte 8.2 Mio. Stück schweizweit (Baujahre 1950 - 1983). Die Kondensatoren in den kapazitiven Vorschaltgeräten enthielten somit rund 540 t PCB bei einem Gesamtgewicht von ca. 1'800 t.

Aufgrund vom geschätzten mittleren Lebensalter (Schätzung 1998) anhand der bei der Entsorgung erfassten Vorschaltgeräte wurde im Bericht «PCB in Vorschaltgeräten von Fluoreszenzlampen - eine Bilanzierung» (1998) vom Kantonalen Laboratorium Aargau eine PCB-Bilanzierung errechnet. Der Bericht geht davon aus, dass 1997 rund 50 % der PCB-haltigen Vorschaltgeräte in Schweizer Gebäuden noch im Einsatz standen. Das heisst, dass rund 4.1 Mio. Geräte bzw. 900 t PCB-haltige Kondensatoren mit rund 270 t PCB noch vorhanden waren. Spekuliert wurde damals im Bericht, dass bis 2010 jährlich durchschnittlich ca. 7.5 % oder rund 315'000 PCB-haltige Vorschaltgeräte in die Entsorgung gelangen werden (69 t PCB-haltige Kondensatoren mit 21 t PCB). 

Die 1998 durchgeführte Umfrage bei Elektroinstallationsbetrieben im Kanton Aargau zeigte zudem auf, dass ausgebaute Vorschaltgeräte oder Lampengehäuse, inklusive Vorschaltgeräten, fast ausschliesslich über den Altmetallhandel entsorgt wurden. Von dort gelangten diese zumeist PCB-haltigen Vorschaltgeräte primär zu den vier in der Schweiz vorhandenen Schredder-Anlagen. Die PCB-Bilanzen dieser vier Schredder-Anlagen legten damals nahe, dass die kapazitiven Vorschaltgeräte wohl als Hauptverantwortliche für den Eintrag von PCB in die Reststoffe aus den Shredder-Anlagen (RESH genannt) in Frage kommen und auch in unerwünschter Weise den für das Schmelzwerk vorbereiteten Schrott mit PCB belasten. Ein unbekannter Anteil an kapazitiven Vorschaltgeräten wurde damals auch über die Bauschutt-Mischmulden entsorgt. Ein Teil dieser Mischmulden (oft mit grossen Asbestfrachten vermischt) gelangte über Sortieranlagen-Betriebe ebenfalls wieder zu den Altmetallen. Das heutige, ziemlich perfekt ausgebaute Abfall-Trennsystem auf den Baustellen war 1998 erst in der Entstehung. 

Das Bundesamt für Umwelt (BAFU, damals BUWAL) stützte die im Bericht veröffentlichten Daten-Zusammenstellungen und kam zum Schluss, dass mit vertretbarem finanziellem Aufwand eine umweltgerechte Entsorgung der kapazitiven und induktiven Vorschaltgeräte von Lampen gewährleistet werden kann. Kapazitive und induktive Vorschaltgeräte enthalten hohe Anteile an Kupfer und sind auch ein wertvoller Rohstoff. Im Jahr 1998 wurden die kapazitiven Vorschaltgeräte von Lampen den Entsorgungsbestimmungen der Elektronikschrottverordnung (VREG) unterstellt. Damit wurden die noch heute gültigen gesetzlichen Grundlagen für die Entsorgungswege der Vorschaltgeräte über SWICO / SENS geschaffen. 

Wie sieht die Situation heute aus?

Gemäss der oben erwähnten Schätzung des Kantons Aargau wurde bereits im 1998 angenommen, dass rund die Hälfte der eingebauten PCB-haltigen Vorschaltgeräte ersetzt waren, und dass bis 2010 pro Jahr weitere 315'000 der Vorschaltgeräte pro Jahr ersetzt werden. Diese Schätzungen müssen heute als zu optimistisch angesehen werden. 

Die Stiftungen SWICO und SENS, welche die Entsorgung der Elektro-Abfälle koordinieren und finanzieren, haben im 2019 untersucht, wie viele der Vorschaltgeräte, die heute im Elektroschrott landen, noch PCB enthalten. Die Resultate lassen sich wie folgt zusammenfassen: 

  • IT und der Unterhaltungselektronik: Keine PCB-haltigen Kondensatoren
  • Kühl-, Klima- und Gefriergeräte: keine PCB-haltigen Kondensatoren
  • Haushaltgrossgeräte: 0.5 % der Kondensatoren PCB-haltig und 1.7 % PCB-verdächtig
  • Leuchten: 55 % der Kondensatoren sind PCB-haltig und weitere 21 % PCB-verdächtig (gemäss Kondensatorenverzeichnis). Das Gesamtgewicht der als PCB-haltig entsorgten Vorschaltgeräte wird auf 722 kg/Jahr geschätzt.

Im Gegensatz zu Geräten aus dem Haushalt, der IT und der Unterhaltungselektronik, enthalten also 55 %, möglicherweise aber auch bis 65 % der entsorgten Vorschaltgeräte aus Leuchten PCB. Dies lässt sich damit erklären, dass Geräte aus dem Haushalt, der IT und der Unterhaltungselektronik eine viel beschränktere Lebensdauer haben als Leuchten (bei welchen allenfalls die Leuchtstoffröhren ersetzt werden müssen). 

Schlussfolgerung: PCB-haltige Vorschaltgeräte in Leuchten sind durchaus noch ein Thema. 

Vorgehen bei der Bauschadstoff-Diagnostik und Entsorgung

Das Bestreben, diese Vorschaltgeräte zu identifizieren und sauber zu entsorgen, ist und bleibt also aktuell. Wie aber gehen wir damit im Rahmen von Bauschadstoff-Expertisen um? Es gibt grundsätzlich drei Möglichkeiten: 

  1. Ignorieren: Alles ignorieren und davon ausgehen, dass der Rückbauer oder das Recycling-Unternehmen dies überprüft. Es mag viele Firmen geben, welche diese wirklich aussortieren. Aber: Landet eine Leuchte mit Vorschaltgerät im allgemeinen Metall-Recycling, wird sie höchstwahrscheinlich nicht mehr identifiziert und landet zusammen mit unbelasteten Abfällen im Schredder. 
  2. Bei der Diagnostik überprüfen: Bei der Schadstoff-Diagnose die Leuchten demontieren und überprüfen, ob das Vorschaltgerät PCB enthält. Wenn vorhanden, diese entsprechend im Entsorgungskonzept aufführen. Das hat den Vorteil, dass die Vorschaltgeräte dann ab Baustelle als Sonderabfälle abgeholt werden müssen und man dadurch einen eindeutigen Entsorgungsnachweis hat. Das Problem: Als Nicht-Elektriker darf ein Diagnostiker elektrische Geräte nicht demontieren. Die Gefahr von Kurzschlüssen, Elektro-Schock und Sturz von der Leiter wäre schlicht zu gross.
  3. Als Elektroschrott erfassen: Die Vorschaltgeräte bei der Schadstoff-Diagnose als Elektro-Schrott aufnehmen und im Entsorgungskonzept entsprechend erwähnen. Anschliessend muss sichergestellt werden, dass die Firma, resp. die Person, welche die Leuchten demontiert, diese getrennt einsammelt und tatsächlich dem Elektro-Schrott zuführt (VeVA-Code 16 02 13 [ak]).

Die SENS empfiehlt die dritte Option. Recycling-Firmen, welche Elektroschrott annehmen, sind verpflichtet, die Elektro-Geräte zu demontieren und zu überprüfen, ob diese PCB enthalten. Wird dabei ein PCB-haltiges Vorschaltgerät identifiziert, wird es aussortiert und einer gesonderten Entsorgung zugeführt. Von der SENS wird dieses Vorgehen regelmässig überprüft. 

Weitere News

In rund 10 bis 20% der Gebäude in der Schweiz wurde das Holz der Dachstöcke mit Holzschutzmitteln behandelt. Werden diese Dachstöcke in Wohnungen umgebaut, können diese Schadstoffe zu einer echten Gesundheitsgefährdung für die Anwohner führen. Eine Ermittlungspflicht vor einem Umbau gibt es nicht. Wenn man’s aber nicht tut, kann es kompliziert werden, wie dieses Fallbeispiel zeigt.

Posted by: Simon Schneebeli; Montag, 26 Feb

Die Suva hat ein neues Factsheet zur Sanierung von PAK-haltigen Materialien publiziert. Das Factsheet beschreibt, welche Massnahmen zum Schutz der Gesundheit der Arbeiter getroffen werden müssen. Es lässt aber auch einige wichtige Fragen offen. Um was geht es?

Posted by: Simon Schneebeli; Montag, 11 Dez

Arbeiten bei grosser Hitze ist gefährlich. Wenn man zusätzlich noch einen Schutzanzug trägt, wie bei der Asbestsanierung, wird es problematisch. Aber was kann und muss man dagegen tun?

Posted by: Simon Schneebeli; Samstag, 15 Jul

Fachplaner und Fachbauleiterinnen könnten bei Bauschadstoffsanierungen eine wichtige Rolle spielen. Oft geschieht dies aber nicht. Warum? Und was kann man dagegen tun?

Posted by: Simon Schneebeli; Dienstag, 28 Mär