Asbest-Diagnose vor Immobilien-Kauf : Ja oder nein ?

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admin11; Oktober 09, 2017

Die Mehrheit der Häuser enthalten Asbest. In den allerwenigsten Fällen stellt dieser Asbest eine Gefahr für die Gesundheit der Nutzern oder Anwohner dar. Hingegen kann bei einem Umbau oder Abbruch eine sehr teure Sanierung nötig werden. Sollte man daher vor dem Kauf eines Hauses eine Asbest-Untersuchung durchführen lassen?

Eine junge Familie kauft sich ein Eigenheim. Das Haus wurde in den siebziger Jahren gebaut und ist attraktiv gelegen. Kaufpreis: Wohl um die 1 Mio CHF.

Sobald der Vertrag unterzeichnet ist, machen sie sich an die Planung der Renovierung des Hauses: Neue Küche, neue Badezimmer, neue Bodenbeläge. Sie engagieren dafür einen Architekten der auch die Baubewilligung einholen soll.

Seit 2016 braucht es in der Schweiz für die Baubewilligung eine Asbest-Expertise (auch Asbest- oder Bauschadstoff-Diagnose oder Gebäude-Check genannt). Damit kann das Vorhandensein dieses gefährlichen Stoffs im Vornherein abgeklärt und der Schutz der Gesundheit der Arbeiter sichergestellt werden.

Ein Asbest-Spezialist macht also eine Runde im Gebäude und nimmt Proben von Materialien, die Schadstoffe enthalten können. Diese werden anschliessend in einem Labor untersucht.

Überraschung als die Resultate eintreffen: Sämtliche Fliesenkleber enthalten Asbest! Und leider ist ein Grossteil der Böden mit Fliesen bedeckt! Kein Problem für die Gesundheit der Familie: Der Asbest ist unter den Fliesen versteckt und stellt somit keine unmittelbare Gefahr dar. Hingegen: Ausgeschlossen, dass man die Renovierung ohne vorherige Asbest-Sanierung durchführt.

Kosten der ganzen Operation: Ca. 25‘000 CHF! Und da die Asbest-Expertise erst NACH der Unterzeichnung des Vertrags durchgeführt wurde, kann man sich nicht mehr an den Verkäufer wenden und „versteckte Mängel“ geltend machen (in Frankreich etwa wäre dies von Gesetzes wegen unter Umständen möglich).

Im Vergleich zum Kaufpreis ist dies nicht enorm. Da das Budget der Familie aber nicht unbegrenzt ist, müssen Sie bei der Renovierung ihres künftigen Eigenheims doch gewisse Abstriche machen.

Braucht es vor einem Hauskauf eine Asbest-Expertise?

Sollte man also jedem Hauskäufer empfehlen, vor dem Kauf eine Asbest-Expertise zu veranlassen? In Frankreich ist dies obligatorisch. In der Schweiz hingegen gibt es keine Vorschriften oder Empfehlungen? Hingegen empfehlen mehr und mehr Liegenschaftmakler ihren Kunden eine Expertise durchzuführen.

Ein Haus ohne Asbest-Expertise ist wie Lotto spielen: Ungefähr 25 bis 30% der Fliesenkleber enthalten Asbest (in Gebäuden, die vor dem Asbestverbot gebaut wurden, in der Schweiz 1990). Seltener findet man Asbest im Innen- oder Aussenverputz: Nach Angaben von verschiedenen Laboratorien enthalten etwa 7 bis 15% der Verputze Asbest. Die Kosten etwa für die Sanierung eines Badezimmers betragen ca. 2000 bis 4000 CHF. Muss eine ganze Fassade saniert werden, kann es schnell um mehrere Zehntausend Franken gehen. In ganz seltenen Fällen, insbesondere bei Industriegebäuden mit Spritzasbest kann die Sanierung sogar mehr kosten als die Liegenschaft wert ist.

Demgegenüber sind die Kosten einer guten Asbest-Expertise relativ gering. Für ein Einfamilienhaus muss man mit ca. 2000 CHF rechnen.

Sollte man also vor jeden Hauskauf eine Asbest-Expertise durchführen lassen? Letzten Endes muss dies jeder für sich entscheiden. Da ich als Asbest-Berater selber voreingenommen bin, enthalte ich mich einer Empfehlung.

Und wenn man eine Asbest-Expertise durchführt, was soll untersucht werden?

In der Schweiz gibt es keine Vorschriften oder Empfehlungen für Expertisen vor Verkauf. Die von der Vereinigung Asbest-Berater Schweiz VABS definierte „Diagnose Normale Nutzung“ betrifft nur die Risiken für die Gesundheit der Nutzer eines Gebäudes, nicht aber das finanzielle Risiko.

Wie soll man also vorgehen? Folgende zwei Punkte sollten Teil des Auftrags des Diagnostikers sein:

  • Risiken für die Nutzer / Anwohner identifizieren: Dies entspricht der „Diagnose Normale Nutzung“ gemäss Pflichtenheft der VABS. Sie betrifft sämtliche Materialien, die mit ohne oder mit einer einfachen Demontage zugänglich sind, etwa Spritz-Isolationen, Akustik-Platten etc. Wenn solche Materialien vorhanden sind, muss eine Probe genommen und im Labor untersucht werden, ob sie Asbest enthalten. Wenn dies der Fall ist, muss innert nützlicher Frist saniert werden.
  • Finanzielle Risiken identifizieren: Ein asbesthaltiger Fensterkitt oder eine Faserzement-Platte hinter einem Herd stellt ein sehr geringes finanzielles Risiko dar. Hingegen können Fliesen oder Verputze (innen sowohl als auch aussen) durchaus hohe Sanierungskosten verursachen, auch wenn sie für die Nutzer des Gebäudes keine Gefahr darstellen.

Soll man also vor jedem Verkauf eine komplette Asbest-/Bauschadstoff-Expertise durchführen („Diagnose vor Abbruch/Umbau“ gemäss Pflichtenheft VABS)? Nicht unbedingt. Hier ein Beispiel: Wir hatten den Auftrag ein grösseres Bürogebäude auf Asbest zu untersuchen. Verkaufspreis: Ca. 3 Mio. CHF. Der Auftrag kam vom möglichen Käufer, wobei der Vertrag aber noch nicht unterzeichnet war. Entsprechend konnten wir nur wenige Proben nehmen.

Es hat sich herausgestellt, dass sich auf jedem Stockwerk ein WC und eine Kochnische mit Fliesen befindet. Sollte der Kleber untersucht werden? Wenn diese tatsächlich Asbest enthalten, würde dies Sanierungskosten von ca. 50‘000 CHF verursachen. Der potentielle Käufer hat sich daher entschieden, die Fliesenkleber nicht zu beschädigen, da die 50‘000 CHF für die Sanierung im Vergleich zum Wert des Gebäudes einen geringen Betrag darstellen.

Ausser wenn sowieso eine Renovierung (oder ein Rückbau) des Gebäudes vorgesehen ist, muss also von Fall zu Fall entschieden werden, was sinnvoll ist.

Was also tun wenn man ein Haus kaufen will?

Wenn Sie ein Haus kaufen wollen, gibt es vier Möglichkeiten:

  • Vom Verkäufer eine Schadstoff-Diagnose verlangen. Der Verkäufer ist keineswegs gezwungen der Anfrage folge zu leisten.
  • Den Verkäufer fragen, ob Sie selber eine Expertise des Gebäudes veranlassen dürfen. Auch hier kann der Verkäufer ablehnen. Ausserdem: Wenn Sie das Gebäude dann doch nicht kaufen, müssen Sie die Kosten der Schadstoff-Diagnose selber tragen.
  • Im Kauf-Vertrag die Risiken für das Vorhandensein von Asbest nicht ausschliessen, damit Sie im Nachhinein Sanierungskosten weiter verrechnen können. Auch diese Praxis ist in der Schweiz nicht üblich und dürfte kaum durchsetzbar sein.
  • Den Vertrag unterzeichnen und dabei hoffen, dass kein Asbest vorhanden ist. Wie erwähnt sind die möglichen Kosten für eine Asbestsanierung im Vergleich zum Preis des Gebäudes meist gering. Ein gewisses Risiko bleibt aber.

Für den Verkäufer ist die letzte Option die beste, da er damit das Risiko auf den Käufer abwälzt. Dem Käufer ist aber klar die erste Option zu empfehlen, allenfalls die zweite.

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