Als Bildungsstätte für Bauschadstoff-Spezialistinnen und Spezialisten sind wir naturgemäss oft in Kontakt mit den verschiedenen involvierten Fachgruppen und nehmen auch ihre gegenseitige Kritik wahr. Was die Sanierer immer wieder äussern: Die Diagnostik ist ungenügend, und oft sind Ausschreibungen so schlecht gemacht, dass es schwierig ist, eine vernünftige Offerte zu erstellen. Ausserdem beschränkt sich eine Fachbauleitung viel zu oft alleine auf das Stellen von Luftmessungen.
Die übliche - und teilweise berechtigte – Entschuldigung der Diagnostikerinnen und Diagnostiker: Bei der Gebäudeuntersuchung ist es oft gar nicht möglich, wirklich vertiefte Untersuchungen durchzuführen. Dass die Sanierer damit ein Problem haben, ist aber auch verständlich, denn bei oberflächlichen Untersuchungen sind Komplikationen und Nachträge praktisch vorprogrammiert.
Wo setzen wir an, um dieses Problem zu lösen? Soll der Sanierer die Bauschadstoff-Diagnosen selber noch überprüfen und vervollständigen? Da sagen die Sanierer berechtigterweise: «Wenn dem so ist, dann machen wir die Gebäudeuntersuchungen lieber gleich selber!»
Die Rolle der Fachplanung und Fachbauleitung
Eine gute Möglichkeit, das Problem anzugehen, wäre eigentlich da: Sowohl die Vereinigung Asbestberater Schweiz als auch der Fachverband Gebäudeschadstoffe Schweiz sehen in ihren Verbandsrichtlinien die Rolle der Fachplanung resp. Fachbauleitung vor. Diese Rolle beinhaltet eigentlich auch, dass möglicherweise notwendige Nachuntersuchungen durchgeführt und Ausschreibungsgrundlagen vorbereitet werden. Die neue Version des FACH-Merkblatts 2955 unterstreicht die Rolle der Fachbauleitung weiter.
Aber: Heute beschränkt sich eine "Fachbauleitung" oft darauf, am Schluss einer Asbestsanierungen die Luftmessungen zu stellen. Bereits visuelle Kontrollen werden in der Praxis oft vernachlässigt. Für kleinere Sanierungen – etwa von einzelnen Badezimmern und Küchen – mag das knapp ausreichen. Grössere Projekte, und dazu kann man bereits Totalsanierungen von Einfamilienhäusern zählen, würden aber deutlich besser ablaufen, wenn es eine «echte» Fachbauleitung gäbe.
Beschränkt sich die Arbeit der unabhängigen Fachperson auf die oben erwähnten Punkte, kann man theoretisch nicht einmal von einer echten Fachbauleitung, geschweige denn von einer Fachplanung sprechen. Korrekter wäre es, hier von einer «fachlichen Begleitung und Kontrolle» zu sprechen, denn die Fachperson hat in einer solchen Situation keine Weisungsbefugnisse.
Rechtlich wäre es auch im Interesse der mit diesen Kontrollen beauftragten Firma, ihre Dienstleistungen nicht als «Fachbauleitung» zu verkaufen, denn eine eigentliche «Fachbauleitung» übernimmt gemäss den Pflichtenheften der Fachverbände VABS und FAGES durchaus auch eine (unklar definierte) Verantwortung. Entsprechend könnte sie – etwa bei Projektverzögerungen oder hohen Nachträgen – durchaus auch rechtlich haftbar gemacht werden.
Warum keine «echte» Fachplanung und Fachbauleitung?
Es stellt sich die Frage, warum die Bauherrschaft nicht öfters eine kompetente Fachperson für die Fachplanung und Fachbauleitung einbinden. Ein Grund ist wohl, dass sie die Komplexität der Bauschadstoff-Problematik immer mal wieder unterschätzen, und somit auch keinen Mehrwert in dieser Dienstleistung sehen.
Ein kleines Beispiel: Bei Gebäudeuntersuchungen kommt es immer mal wieder vor, dass man widersprüchliche Laborresultate erhält. Diese werden im Diagnosebericht meist auch aufgeführt, auch mit dem Hinweis, dass Nachuntersuchungen nötig sind. Der Architekt schreibt die Sanierungen aber ohne Nachuntersuchungen auf Grundlage der Diagnose aus und der Sanierer offeriert die Sanierung von allen verdächtigen Bereichen. Er erhält den Auftrag und saniert allen Verputz. Kostenpunkt: 60'000 CHF.
Wären Nachuntersuchungen des Verputzes durchgeführt worden, hätte man die zu sanierenden Bereiche vielleicht eingrenzen können. Die 3000 CHF, die eine einfache aber professionelle Fachbauleitung in einem solchen Fall kosten würde, hätte möglicherweise weitaus höhere Einsparungen ermöglicht.
Das Eigenverständnis der Fachbauleitung Schadstoffsanierung
Aus Gesprächen mit Mitarbeiterinnen und Bauschadstoff-Spezialistinnen und Spezialisten ging aber auch hervor, dass diese ihre eigene Rolle oft auf Luftmessungen reduziert sehen und sich gar nicht bewusst sind, dass sie eine aktivere Rolle spielen könnten. Es wäre also falsch, nur einen Mangel bei der Bauherrschaft zu suchen. Es fehlt also auch auf dieser Seite der Asbest- und Bauschadstoff-Beratungsfirmen an einem klar identifizierten Selbstverständnis.
Immerhin arbeitet eine Arbeitsgruppe von FAGES an der Überarbeitung der bestehenden Verbandsrichtlinie, wo deren Rolle genauer definiert werden soll. Das Pflichtenheft der VABS wiederum schreibt grundsätzlich eine Fachbauleitung bei jeglicher Asbestsanierung vor, also auch bei kleinen und Kleinstprojekten, was aber auch wieder über das Ziel hinaus schiesst.
Eindeutiger ist das bereits erwähnte FACH-Merkblatt: Dieses unterstreicht nicht nur die Bedeutung der visuellen Kontrollen. Es hält auch explizit fest, dass man die Anzahl Luftmessungen reduzieren kann, wenn eine «echte» Fachbauleitung im Projekt involviert ist. Dieses Merkblatt differenziert auch zwischen der Rolle der Fachbauleitung und jener der Messtechnik als zwei eigenständige, voneinander getrennten Arbeitsschritten.
Unsere Rolle als Bildungsstätte
Als Bildungsstätte müssen wir uns natürlich auch fragen: Was können wir machen, damit sich diese Situation verbessert?
Schon letztes Jahr haben wir den Grundkurs Fachbauleitung Schadstoffsanierung ausgebaut. Das Thema Nachuntersuchung und Erstellen eines Leistungsverzeichnisses für den Asbestsanierer erhält deutlich mehr Gewicht.
Anfang Jahr konnten wir ausserdem zum ersten mal den Weiterbildungskurs «Komplexe Sanierungen planen und leiten» durchführen. In diesem anspruchsvollen und stark praxisorientierten Kurs führen wir die Teilnehmenden dahin, den Ablauf eines Projektes neu zu durchdenken und aktiv zu führen. Wir fordern die Teilnehmenden mit anspruchsvollen Fallbeispielen, die den ganzen Prozess von den Nachuntersuchungen, über die Definition von Rahmenbedingungen und Schnittstellen, dem Erstellen eines Leistungsverzeichnises bis hin zur Leitung der Kickoff-Sitzung abdecken.
Der Kurs findet das nächste Mal vom 9. bis 11. November 2023 statt. Er wendet sich sowohl an Fachplanerinnen und Fachbauleiter als auch an erfahrene Asbestsanierer in leitender Funktion. Der Kurs erfüllt auch die Anforderungen der Suva an die gemäss BauAV obligatorische Weiterbildung von Asbestsanierern.