Flanschdichtungen: Welche enthalten Asbest?

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Simon Schneebeli; September 12, 2021

Vor einiger Zeit führten wir einen Sensibilisierungskurs bei einer Firma durch, die im Gebäudeunterhalt tätig ist. In der Pause hat uns ein Teilnehmer seine Werkstatt gezeigt, in der er auch kleinere Arbeiten an Boilern etc. durchführt. Neben einer Asbest-Decke, die er beim Schweissen jeweils als Brandschutz verwendete, zeigte er uns auch seine Sammlung an Dichtungsringen: Wann immer bei einer Reparatur intakte Dichtungsringe anfielen, hat er sie aufbewahrt, um sie bei Bedarf später wieder einzusetzen.

Die Decke haben wir fachgerecht entsorgt. Die Sammlung aus Dichtungsringen haben wir mitnehmen dürfen.

Welche Dichtungen enthalten nun Asbest?

Um herauszufinden, welche Dichtungsringe nun Asbest enthielten, hat das Labor Aatest einige davon analysiert. Dabei stand vor allem folgende Frage im Vordergrund: Enthalten wirklich nur die roten Dichtungen Asbest, wie man immer mal wieder hört, oder auch andere?

Die Schlussfolgerung:

  • Rote Dichtungen: Von 6 untersuchten Dichtungen enthielten 5 Asbest, eine war asbestfrei.
  • Grüne Dichtungen: Von 5 untersuchten Dichtungen war keine asbesthaltig.
  • Grau / schwarze Dichtungen: von 6 untersuchten Dichtungen waren 3 asbesthaltig und 3 asbestfrei.

Der Asbestgehalt war im Übrigen in der Regel bei über 50% Chrysotilasbest.

Schlussfolgerung: Die Farbe ist zwar ein Indikator. Darauf verlassen sollte man sich aber nicht!

Ein weiterer Hinweis: der Name

Weiter haben wir mit der Firma Klinger Kontakt aufgenommen. Die Firma ist auch heute noch führend in der Herstellung von Dichtungen. Sie hat uns bestätigt, dass tatsächlich nicht nur rote Dichtungen mit Asbest hergestellt wurden, sondern auch andere. Und auch anders herum: Sie haben durchaus auch rote Dichtungen ohne Asbest hergestellt (und tun das auch heute noch).

Aussagekräftiger sei der Name: Alle Dichtungen mit der Endung -it im Namen waren asbesthaltig, also Klingerit, Oilit oder Acilit. Daher spricht man auch von "IT-Dichtungen". Beim Umstellen auf asbestfreie Produktion wurden dann die Namen geändert.

Der Name – sofern man ihn noch lesen kann – ist also ein weiterer Indikator. Aber auch hier gilt: Klinger ist nicht der einzige Hersteller, und andere Hersteller haben wiederum andere Namen verwendet.

Anwendungszeitraum

Die Firma hat uns weiter bestätigt, dass die letzte Asbestdichtung bei ihnen in den frühen 90ern hergestellt wurde, was durchaus noch in der offiziellen Übergangsfrist bis 1995 lag.

Es muss also durchaus auch nach 1995 noch mit asbesthaltigen Dichtungen gerechnet werden.Da wohl einige Firmen noch Vorräte hatten, oder da alte Dichtungsringe bei Reparaturen regelmässig wieder eingebaut wurden, muss davon ausgegangen werden, dass auch Dichtungen, die erst nach 1995 eingebaut wurden, noch Asbest enthalten können.

Faserfreisetzungspotential

Das Labor Aatest hat bestätigt, dass Dichtungsringe hohe Mengen an Asbest enthalten (> 50% Chrysotil). Aber: Sie sind in aller Regel hart. So werden sie auch auf Polludoc als festgebunden eingestuft (wobei  gewisse Dichtungen eher die Konsistenz von Karton haben und somit auch als schwachgebunden eingestuft werden sollten, etwa bei Brennern von Heizungen).

Bei einer normalen Nutzung eines Gebäudes kann aber davon ausgegangen werden, dass solche asbesthaltigen Dichtungen keine Gefahr für die Bewohner oder Nutzer eines Gebäudes darstellen.

Wie sieht es beim Bearbeiten aus? Auf Anfrage sagt die Suva, dass im 2002 Messungen bei Revisionsarbeiten von Getrieben durchgeführt wurden, welche Dichtungen aus dem gleichen Material enthalten können, insbesondere Zylinderkopfdichtungen. Beim Abkratzen und Schleifen der Materialien mit Quellabsaugung wurden Faserkonzentrationen von weniger als 30'000 bis 70'000 LAF/m3 gemessen. Das sind deutlich mehr als der MAK-Wert von 10'000 LAF/m3.

Soll man solche Dichtungen beproben?

Im Rahmen eines Bauschadstoff-Gutachtens werden solche Dichtungen in der Regeln NICHT beprobt, sondern einfach als "asbesthaltig" eingestuft, denn erfahrungsgemäss enthalten praktisch alle Dichtungen vor 1990 Asbest. Umgekehrt ist die Wahrscheinlichkeit gering, bei Installationen, die nach 1995 eingebaut wurden, Asbest zu finden. Entsprechend werden sie in der Regel als "nicht asbestverdächtig" betrachtet.

Bleibt die Frage, was man mit Dichtungen aus der Übergangszeit von 1990 bis 1995 tun soll. Davon auszugehen, dass Dichtungen nach dem allgemeinen Asbest-Verbot von 1990 keinen Asbest mehr erhalten, wäre sicher falsch.

Die übliche Praxis hier ist: Bei einzelnen Dichtungen lohnt sich eine Analyse finanziell in der Regel nicht. Sie sollten als "asbesthaltig" eingestuft werden, denn die Probenahme und Analyse würde mehr kosten als eine fachgerechte Entfernung mit den dazugehörigen Schutzmassnahmen. Einzig bei grösseren Mengen von Dichtungen aus dieser Übergangszeit lohnt sich die Analyse.

Wie solche Dichtungen entfernen?

Die Suva unterscheidet:

  • Einzelne Dichtungen dürfen gemäss Suva-Merkblatt 84053 von einer Firma mit entsprechend instruierten Mitarbeitenden ausgeführt werden. Dazu braucht es einen Atemschutz (FFP3-Maske) und eine Quellabsaugung mit H-Filter. Die Dichtungen müssen ausserdem grosszügig benetzt werden. Ein Abschleifen ist nicht zulässig.
  • Mehr als einzelne Dichtungen: Solche Arbeiten müssen von einem Suva-anerkannten Asbest-Sanierer gemäss EKAS-Richtlinie 6503 in einer Unterdruckzone ausgeführt werden. In der Praxis werden insbesondere beim Rückbau die Rohre links und rechts der Flansche gekappt und die Flansche mitsamt der Dichtungen dem Sanierer übergeben, der diese in einer Unterdruckzone auseinandernimmt und die Materialien trennt.

Wie geht man mit Heizungen, Boiler, Pumpen, Motoren etc. um? In der Praxis ist es wohl so, dass viele solcher Geräte einfach durch den Schredder gehen und die Dichtungen dann im Recycling landen. Das ist nicht optimal, aber auch nicht dramatisch. Es wäre aber wünschenswert, wenn Recycling-Firmen hier aufrüsten und Personal ausbilden würden, damit sie solche Dichtungen richtig identifizieren und fachgerecht demontieren können (und dürfen). Bis das der Fall ist, dürfte es das beste sein, jeweils zu verlangen, dass solche Geräte bis 1995 einem Suva-anerkannten Asbestsanierer zur Demontage übergeben werden.

Bezüglich Entsorgung: Die asbesthaltigen Dichtungen sind in einer Deponie Typ E zu entsorgen (einige Kantone erlauben auch ein Entsorgen in einer KVA). Ein Entsorgen der Flansche mit den Dichtungen in einer Deponie ist nicht zulässig.

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