Holzschutzmittel - trotzdem untersuchen

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Simon Schneebeli; Februar 26, 2024

In rund 10 bis 20% der Gebäude in der Schweiz wurde das Holz der Dachstöcke mit Holzschutzmitteln behandelt. Werden diese Dachstöcke in Wohnungen umgebaut, können diese Schadstoffe zu einer echten Gesundheitsgefährdung für die Anwohner führen. Eine Ermittlungspflicht vor einem Umbau gibt es nicht. Wenn man’s aber nicht tut, kann es kompliziert werden, wie dieses Fallbeispiel zeigt.

Kurt Schläpfer ist Spezialist für chemische Schadstoffe mit Spezialgebiet Luft. Im 1987 hat er die Firma Carbotech mitbegründet und war dort über mehrere Jahrzehnte als Fachexperte und in der Leitung tätig. Heute ist er im Ruhestand, übernimmt aber regelmässig anspruchsvolle Fälle, gerade wenn es um chemische Bauschadstoffe geht.

 

Kurt Schläpfer, Du hattest gerade einen Fall, wo ein Gebäude vor einem Umbau auf Bauschadstoffe untersucht wurde. Das Holz des Dachstuhls wurde aber nicht untersucht. Erst im Lauf des Umbaus wurde festgestellt, dass das Gebälk mit Holzschutzmittel HSM belastet ist. Wie ist man darauf gekommen, dass eine Belastung mit HSM vorliegen könnte?

Ich erlebe ein bis zwei Mal im Jahr einen Fall, wo hohe Belastungen von Pentachlorphenol (PCP), Lindan (HCH) oder DDT erst erkannt werden, nachdem die Detailplanung beendet oder erste Umbauarbeiten begonnen haben. Ich habe den Eindruck, dass diese Fälle zunehmen.

Ärgerlich - aber noch nicht die grosse Katastrophe – ist es, wenn die Belastungen noch vor den Umbauarbeiten erkannt werden. Es sind häufig Zimmerleute und Architekten aber auch Sanierungsfirmen die die Frage nach HSM-Belastung stellen und damit eine Untersuchung auslösen.

Ich hatte aber auch schon Fälle bearbeitet, bei denen der Wohnraum bereits ausgebaut war und infolge stark belasteter Sichtbalken vor Erstbezug aufwändig saniert oder sogar wieder abgerissen werden musste.

 

Jetzt habt ihr verschiedene Messungen und Analysen durchgeführt. Was sind die vorläufigen Resultate?

Wir haben in den letzten beiden Fällen im Konstruktionsholz sehr hohe HSM-Belastungen, d.h. mehrere hundert bis mehrere tausend ppm, gemessen. Sie zeigen, dass der geplante Umbau zu Wohnraum nicht ohne Ersatz der Holzkonstruktion bzw. des Daches realisierbar ist.

Allenfalls kann ein Bereich ausgeschieden werden und, material- und luftmässig abgetrennt von den belasteten Hölzern, für Wohnnutzung weitergeplant werden. Da dieser Bereich aber wesentlich kleiner ist als die bislang geplante Nutzfläche, stellt sich die Frage, ob das noch finanziell sinnvoll ist.

Um nun ein Gesamtbild der Situation zu erhalten, sind jetzt die angrenzenden und im Luftverbund stehenden Materialien zu untersuchen. Daneben versuchen wir mittels geeigneter Untersuchungen die Luftbelastung bzw. Emissionen abzuschätzen, um so unsere Empfehlungen für die Bauherrschaft auf eine möglichst nachvollziehbare und solide Grundlage zu stellen.

 

Was hat das jetzt für Konsequenzen für die Bauherrschaft?

Nun, die Planung, die Berechnung der Rentabilität etc. für den entsprechenden Bereich muss neu angegangen und die Umbauarbeiten dann neu geplant werden. Bis dahin stehen die geplanten Arbeiten in diesem Bereich erst einmal still.
Manchmal stehen solche Objekte unter Denkmalschutz was natürlich zusätzliche Komplikationen verursacht.

 

Wie müsste man idealerweise bei solchen Fällen vorgehen?

Gebäude müssen heute vor einem Umbau auf Bauschadstoffe wie Asbest, PCB und PAK untersucht werden. Eine Untersuchung auf HSM wie PCP, Lindan oder DDT ist nicht obligatorisch. Sollen Dachstöcke in Wohnräume, Büroräume oder ähnliches umgebaut werden, sollten solche Untersuchungen unbedingt durchgeführt werden, denn diese Schadstoffe können die Anwohner wirklich krank machen.

Für die Untersuchung gibt zwei mögliche Vorgehensweisen: Entweder der Diagnostiker nimmt Holzproben der Dachkonstruktion bzw. anderer verdächtiger Holzbauteile und lässt diese mindestens auf PCP, HCH und DDT untersuchen. Oder er lässt eine Hausstaub-Probe des Gebäudes auf HSM untersuchen. Bei Positivbefund, sind dann weitere Untersuchungen zur Identifikation der Quellen notwendig.

Mit beiden Verfahren können praktisch alle relevanten HSM-Fälle im Zuge der Erstdiagnostik entdeckt werden. Damit könnte der Bauherr bereits in der Planungsphase abklären, welche Massnahmen getroffen werden müssen, um die Kosten gering zu halten und die Gesundheit der künftigen Anwohner oder Nutzer gut zu schützen.

 


Weiterbildung zu chemischen Bauschadstoffen:

Wie gewinne ich rasch Übersicht über die Belastungen mit PAK, PCB und Holzschutzmitteln in einem Gebäude? Was könnte schiefgelaufen sein, wenn nach einer PAK- Sanierung die Luftbelastung höher ist als vorher? Und welche PCB-Gemische sind für die Luftbelastung unkritisch?  Vom 18. bis 20. März 2024 findet die nächste Weiterbildung zu den chemischen Bauschadstoffen statt.

 

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